Große Anfrage vom 07.10.2021 (Drs. 21-4027.1)
Sachverhalt:
Moderne Formen der Regenwasserbewirtschaftung werden angesichts der dynamischen städtebaulichen Entwicklung Hamburgs und der in den letzten Jahren zunehmend auftretenden Starkregenereignisse immer wichtiger. Dabei gilt es, die Anforderungen an eine schadlose Beseitigung des Regenwassers mit denen einer möglichst naturnah gestalteten, dezentralen Ober- flächenentwässerung in Einklang zu bringen und so auch die Gewässer vor schädlichen Ab- flussspitzen zu schützen.
Zu den Aufgaben der Wasserwirtschaft gehört es, Niederschläge so zu leiten, dass sie weder Gewässer belasten noch Straßen oder Gebäude überfluten.
Problematisch für Siedlungsgebiete sind in erster Linie Starkregenereignisse. Zur Vermeidung von negativen Auswirkungen sollte Niederschlagswasser dort, wo es möglich ist, versickert werden. Andere notwendige Maßnahmen sind die Schaffung von ausreichend Rückhalteflächen in Neubaugebieten, die Begrenzung der Versiegelung und die Reinigung von Straßenabwasser, bevor dieses in Oberflächengewässer eingeleitet wird.
Im Bezirk Wandsbek besteht ein Gewässernetz von 400 km Länge. Das Verwaltungsvermögen Gewässer umfasst im Bezirk Wandsbek eine Fläche von
ca. 2.115.000 Quadratmeter – die Zahl wurde im Rahmen einer Prüfung noch erhöht. Hinzu kommen nicht ausparzellierte Gewässer in Forsten und Grünanlagen sowie 115 Kilometer Straßengräben.
In einer größeren Anzahl von Straßen sind keine Regensiele verlegt. Es gibt hier neben dem Schmutzwassersiel ein System aus Straßengräben und ihren Verrohrungen, für das die Wegebaulastträger verantwortlich sind. Eine systematische Erfassung der Graben‐ und Leitungsverläufe wurde aufgebaut.
Bemessung der Entwässerungssysteme
- Straßengräben sind auf Niederschlagssituationen ausgelegt, die statistisch alle zwei Jahre vorkommen.
• Gewässer II. Ordnung sollen ein Abflussereignis schadlos abführen, wie es statistisch alle 5 Jahre auftritt. - Rückhaltebecken sind je nach Zeit der Errichtung und örtlichen Verhältnissen auf das 10- bis 30-jährige Abflussereignis ausgelegt.
Maßnahmen zur Starkregenvorsorge hängen von der jeweiligen Örtlichkeit ab. Es sind sowohl Maßnahmen auf öffentlichen Frei- und Verkehrsflächen als auch der Objektschutz auf Privatgrund zu prüfen.
Eine straßenweise Zuordnung von Maßnahmen ist ohne übergeordnete Analyse der Fließwege, überstauten Flächen sowie konkreter Gefährdungs- und Schadenspotenziale nicht möglich. Der Ort des Schadens ist nicht zwingend der Ort der Maßnahme.
Zunehmende Versiegelung, steigende Temperaturen und mehr Starkregen: Diese Entwicklun- gen kommen zusammen – mit negativen Auswirkungen für die Stadt und ihre Bewohner. Wohin also mit dem Regenwasser? Wie lassen sich die städtischen Entwässerungssysteme auf die Zukunft vorbereiten?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Initiative der RegenInfraStrukturAnpassung – kurz RISA. RISA möchte zu einem möglichst naturnahen Wasserhaushalt in der Stadt zurückfinden: Regenwasser vor Ort halten, um die Siele zu entlasten, aber auch um Bäume und Pflanzen zu versorgen und die Quartiere zu kühlen. Bisher gab es rund um RISA vor allem Pilotprojekte. Das muss sich in der Zukunft ändern. Eine Zusammenarbeit aller Akteuren u.a. der Behörden, Bezirke, Fachämter, Hausbesitzer, Architekten, Stadt- und Verkehrsplaner, Schulen, Sportstät- ten und Unternehmen ist notwendig.
Alle Planungshilfen wie z.B. Starkregengefahrenkarte, Starkregenindex, Warndienst Binnen- hochwasser Hamburg, Hinweise für eine wassersensible
Straßenraumgestaltung müssen bei der Erstellung von Bebauungsplänen, Bauanträgen und der Straßenplanung berücksichtigt und dokumentiert werden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:
Das Bezirksamt Wandsbek antwortet wie folgt: 08.11.2021
1.) Welche Länge hat das Gewässernetz im Bezirk Wandsbek und wie groß ist das Verwaltungsvermögen Gewässer im Bezirk Wandsbek?
Bezirksamt Wandsbek:
Die Länge des Gewässernetzes beträgt 400 km. Das Verwaltungsvermögen Gewässer umfasst eine Fläche von knapp 200 Hektar.
In die vorgenannten Zahlen nicht eingerechnet sind die ca. 180 km Straßengräben im Verwaltungsvermögen Straße.
2.) Welchen Stand hat die systematische Erfassung der Graben‐ und Leitungsverläufe im Bezirk Wandsbek und wie wurden die Ausschüsse der Bezirksversammlung informiert?
Bezirksamt Wandsbek:
Die systematische digitale Erfassung der Graben- und Leitungsverläufe hat für den Bezirk Wandsbek mit der Zusammenführung und dem Scannen von Plänen begonnen. Die Gremien werden informiert, sobald die Daten digital zugänglich sind.
3.) Welchen Stand haben die Pilotprojekte, rund um RISA, im Bezirk Wandsbek und welche weiteren Projekte sind zukünftig geplant?
Bezirksamt Wandsbek:
Die Handlungsempfehlungen von RISA sind in die Verwaltungsabläufe der Wasserwirtschaft integriert, daraus ergeben sich folgende Maßnahmen:
Umsetzung
- – Hydraulische Überprüfung und Anpassung von Wehren im Rahmen von Baumaßnahmen
für Fischaufstiege (z. B. Pulverhofteich, Wandsbeker Mühlenteich, Poppenbüttler Schleuse,
siehe Arbeitsprogramm Wasserwirtschaft Drs. 21-2424)
- – Hydraulische Ertüchtigung der Minsbek
- – Implementierung der Regenwasserbehandlung (Mitwirkung an der Priorisierung,
Durchsetzung bei den Straßenbaulastträgern der Hauptverkehrsstraßen und Bau z. B.
Regenklärbecken am Bramfelder Dorfgraben)
- – Hydraulische Überprüfung von Straßengräben (z. B. Gebiet Pusbackstraße)
Planung
- – Implementierung wasserwirtschaftliche Anforderungen in die Bauleitplanung
- – Anforderungen zur Rückhaltung und Drosselung von Niederschlagswasser auf
Baugrundstücken im Rahmen wasserbehördliche Erlaubnisse des Bezirksamtes
- – Verbesserung des Hochwasserschutzes an der Berner Au (RHB Sasel, Vorflutsituation
Krögerkoppel, RHB Blakshörn, Retentionsflächen Weißenhof und Rüßwisch)
- – Verbesserung des Hochwasserschutzes am Lottbeker Teich
- – Retentionsraum, Umgehungsgerinnen im Projekt Klimapark Eichtalpark
4.) Werden auf der konkreten Vorhabensebene, die Bebauungspläne (B-Plan) aktuell durch einen wasserwirtschaftlichen Begleitplan (WBP) ergänzt?
Bezirksamt Wandsbek: Nein.
- Wenn ja, in welcher Form?
- Wenn nein, warum nicht?
Bezirksamt Wandsbek:
Bei der Siedlungsneuplanung im Wege von
wasserwirtschaftliche Belange regelhaft durch die zuständigen Träger öffentlicher Belange (TöB) beurteilt und aufgezeigt, um dann untersucht und abgewogen zu werden. Ob dies fallweise ein eigenes Fachplanwerk erfordert oder die gewonnenen Erkenntnisse in anderer Weise umgesetzt werden können, hängt vom Inhalt und Umfang der Planung ab und ist daher nicht pauschal zu beantworten.
5.) Wie erfolgte die abgestimmte Strategie zur Optimierung der Kommunikation und der interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb der Fachämter im Bezirksamt Wandsbek sowie mit weiteren Planungsbeteiligten seit 2013 (siehe auch Begleitdokument zum Ergebnisbericht Regenwasser 2030 AG Stadt- und Landschaftsplanung)?
Bezirksamt Wandsbek:
Neben den formellen Beteiligungsverfahren erfolgen themenspezifische und fallbezogene Gespräche auf und mit allen Ebenen.
6.) Werden die Erkenntnis aus dem Begleitdokument zum Ergebnisbericht Regenwasser 2030 (AG Verkehrsplanung) Stand 2013 und die „Hinweise für eine wassersensible Straßenraumgestaltung Stand 2015 bei den aktuellen Straßenplanungen angewandt und wie erfolgt die Dokumentation durch das Bezirksamt Wandsbek?
Bezirksamt Wandsbek:
Die „Hinweise für eine wassersensible Straßenraumgestaltung“ werden bei den Straßenplanungen berücksichtigt und, wenn möglich, angewandt. Eine Dokumentation über erfolgte Maßnahmen erfolgt nicht.
7.) Wie erfolgt die Zusammenarbeit bei der Straßenplanung mit den Fachämtern im Bezirksamt Wandsbek und welche Fachämter und weitere Planungsbeteiligten sind bei der Straßenplanung aus Sicht des Bezirksamtes Wandsbek erforderlich?
Bezirksamt Wandsbek:
Spätestens im Rahmen der Verschickung werden die betroffenen TöB beteiligt. Die Beteiligung erstreckt sich über rund 40 TöB. Bzgl. der Entwässerung sind das Fachamt Management des öffentlichen Raumes, Hamburg Wasser und die BUKEA hervorzuheben.
8.) Welche bezirklichen Straßen wurden bereits mit den „Hinweisen für eine wassersensible Straßenraumgestaltung“ Stand 2015 geplant?
Bezirksamt Wandsbek:
Bei allen Grundinstandsetzungen seit 2015 werden die Hinweise berücksichtigt und bei Erfordernis Reinigungen oder Rückhaltungen vorgesehen. Die Maßnahmen sind in den politisch abgestimmten Arbeitsprogrammen enthalten.
9.) Wurden bereits bezirkliche Straßen im Bezirk Wandsbek geprüft, ob die Straßenflächen als Retentionsraum mitgenutzt werden können? siehe auch Auflistung Straßen Drucksache 22-5722 (Bürgerschaft)
Bezirksamt Wandsbek: Nein.
- Wenn ja, welche?
- Wenn, nein warum nicht?
Bezirksamt Wandsbek:
Die Straßenflächen werden aus Verkehrssicherheitsgründen nicht als Rückhalteflächen vorgesehen.
10.) Wie werden die zur Verfügung gestellt Planungshilfen, wie z.B. Starkregengefahrenkarte, Starkregenindex, Warndienst Binnenhochwasser Hamburg, Hinweise für eine wassersensible Straßenraumgestaltung bei der Erstellung von Bebauungsplänen, Bauanträgen und der Straßenplanung berücksichtigt und dokumentiert?
Bezirksamt Wandsbek:
Die Unterlagen werden als Unterstützung bei der Variantenauswahl des Querschnitts betrachtet. Die Umsetzung oder Anwendung wird in den jeweiligen Erläuterungsberichten beschrieben.
Soweit es die Bebauungsplanverfahren betrifft: Siehe Antwort zu Frage 4.) b. Die Ergebnisse der Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange werden in der Verfahrensakte dokumentiert.
Soweit der Prüfumfang eines Baugenehmigungsverfahrens, die Prüfung nach Hamburger Wasserhaushaltsgesetz oder Hamburger Abwassergesetz vorsieht, werden die dafür zuständigen Stellen beteiligt.
11.) Wie kann das Fachamt Wasserwirtschaft des Bezirksamtes, gemeinsam mit den anderen Fachämtern des Bezirksamtes, seine Aufgabe erfüllen, dass die Niederschläge so geleitet werden, dass sie weder Gewässer belasten noch Straßen oder Gebäude überfluten?
Bezirksamt Wandsbek:
Der Abschnitt Wasserwirtschaft im Fachamt Management des öffentlichen Raumes hat nicht die umfassende Aufgabe, alle Flächen zum Leiten von Niederschlagswasser zu überprüfen oder zu überwachen.
Die Zuständigkeit des Abschnitts besteht in erster Linie im Schutz und in der Bewirtschaftung der Oberflächengewässer. Soweit dafür erforderlich, werden Anforderungen zur Rückhaltung und Reinigung des aus der Fläche zugeleiteten Niederschlagswassers über wasserrechtliche Erlaubnisse sowie über Beteiligungen als Träger öffentlicher Belange an der Bauleitplanung und an weiteren Fachplanungen umgesetzt. Eigene Fachplanungen beziehen sich auf den Um- und Ausbau von Gewässern, Planung und Bau von Rückhaltebecken und Reinigungsanlagen sowie die Grundinstandsetzung und den Neubau von wasserwirtschaftlichen Anlagen. Die Auf- gabenerfüllung der Gewässerbewirtschaftung bezieht sich auf das im Rahmen der oben ge- nannten Bemessungsgrenzen in den Oberflächengewässern abzuleitende Wasser.