Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie haben auch zu einem Modernisierungsschub in der öffentlichen Verwaltung geführt.
Mit dem Gesetz zur Erleichterung der bezirklichen Gremienarbeit anlässlich der COVID-19-Pandemie hatte die Bürgerschaft im Mai 2020 für Fälle, in denen die Sitzungen eines Ausschusses an einem Ort aufgrund äußerer, nicht kontrollierbarer Umstände erheblich erschwert sind, die Durchführung von Sitzungen im Wege von Video- und Telefonkonferenzen ermöglicht. Diese Regelungen hatte zunächst der Jugendhilfeausschuss, später auch die Bezirksversammlung Wandsbek in ihre Geschäftsordnungen übernommen.
Im Gegensatz zur neuen gesetzlichen Regelung, die in § 13 Abs. 3 Satz 4 BezVG kurz feststellt “Diese Sitzungen sind nicht öffentlich” besteht im Bezirk Wandsbek ein Konsens der Parteien, dass die Arbeit der Bezirksversammlung, die die Führung der Geschäfte des Bezirksamtes kontrolliert, auch davon lebt, dass die Mehrzahl ihrer Sitzungen und Entscheidungsprozesse der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Regelungen der Wandsbeker Geschäftsordnungen von Bezirksversammlung und Jugendhilfeausschuss, wonach Sitzungen nicht öffentlich stattfinden, “soweit mit der Einladung keine Feststellungen zur Öffentlichkeit getroffen werden” können nach der Rechtsauffassung mehrerer Bezirksämter für die Ausschüsse der Bezirksversammlung keine Wirkung entfalten, soweit damit (regelhaft) die Öffentlichkeit hergestellt werden soll.
Einer direkten Anwendung der bisherigen Covid-19-Regelungen des § 13 BezVG auf die bezirklichen Jugendhilfeausschüsse werden ebenso Bedenken entgegengebracht, da Online-Sitzungen des Jugendhilfeausschusses dann grundsätzlich nicht-öffentlich stattfinden müss(t)en. Diesem Vorgehen widerspricht aber die bundesgesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 3 S. 4 SGB VIII. Danach sind Jugendhilfeausschuss-Sitzungen öffentlich, “soweit nicht das Wohl der Allgemeinheit, berechtigte Interessen einzelner Personen oder schutzbedürftiger Gruppen entgegenstehen”. Eine landesrechtliche Pandemie-Ausnahmeregelung hat der Gesetzgeber zwar in § 17 Abs. 1 S. 4 Hmb. AG SGB VII getroffen, explizit aber nur für den Landesjugendhilfeausschuss, wonach Sitzungen des LJHA unter bestimmten Umständen “mittels Telefon- oder Videokonferenz und Beschlussfassungen im schriftlichen oder elektronischen Verfahren durchgeführt werden” dürfen.
Durchgreifende Argumente, die Öffentlichkeit von digitalen Sitzungen auszuschließen, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil, die fehlende Öffentlichkeit schadet vielmehr dem Grundsatz der transparenten und bürgernahen Bezirksversammlung. Ausweislich der Gesetzesbegründung (Drs. 22/124) wurde im “Hinblick auf die besonderen Umstände, die einer körperlichen Sitzungsteilnahme entgegenstehen”, auf “die Möglichkeit der Teilnahme der Öffentlichkeit an den Ausschusssitzungen verzichtet”. Dies diene “zugleich der Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Ausschussmitglieder.” Persönlichkeitsrechte von Ausschussmitglieder können jedoch auch in anderer Art und weise sichergestellt werden, der vollständige Ausschluss der Öffentlichkeit erscheint vor diesem Hintergrund jedenfalls unverhältnismäßig.
Andere Bundesländer sind zu anderen Lösungsansätzen gekommen. So regelt z.B. die Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein explizit die Notwendigkeit einer öffentlichen Beteiligung:
§ 35 a
Sitzungen in Fällen höherer Gewalt
(1) Durch Hauptsatzung kann bestimmt werden, dass bei Naturkatastrophen, aus Gründen des Infektionsschutzes oder vergleichbaren außergewöhnlichen Notsituationen, die eine Teilnahme der Gemeindevertreterinnen und -vertreter an Sitzungen der Gemeindevertretung erschwert oder verhindert, die notwendigen Sitzungen der Gemeindevertretung ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder im Sitzungsraum als Videokonferenz durchgeführt werden können. Dabei sind geeignete technische Hilfsmittel einzusetzen, durch die die Sitzung einschließlich der Beratungen und Beschlussfassungen zeitgleich in Bild und Ton an alle Personen mit Teilnahmerechten übertragen werden.
(2) Durch Hauptsatzung kann bestimmt werden, dass Sitzungen der Ausschüsse, der Ortsbeiräte und der sonstigen Beiräte im Sinne des Absatzes 1 durchgeführt werden können.
(3) In einer Sitzung nach Absatz 1 und 2 dürfen Wahlen nach § 40 nicht durchgeführt werden.
(4) § 16c Absatz 1 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Gemeinde Verfahren entwickeln soll, wie Einwohnerinnen und Einwohner im Falle der Durchführungen von Sitzungen im Sinne des Absatzes 1 Fragen zu Beratungsgegenständen oder anderen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft stellen und Vorschläge und Anregungen unterbreiten können.
(5) Die Öffentlichkeit im Sinne des § 35 Absatz 1 Satz 1 ist durch zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton in einen öffentlich zugänglichen Raum und durch eine Echtzeitübertragung oder eine vergleichbare Einbindung der Öffentlichkeit über Internet herzustellen. Im Übrigen bleibt § 35 unberührt.
(6) Die Gemeinde hat sicherzustellen, dass die technischen Anforderungen und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Sitzung einschließlich Beratung und Beschlussfassung eingehalten werden.
Aus Sicht der Bezirksversammlung Wandsbek sollten die Regelungen des Gesetzes zur Erleichterung der bezirklichen Gremienarbeit anlässlich der COVID-19-Pandemie über Online-Sitzungen für diejenigen Fälle, in denen Online-Versammlungen zweckmäßig und von keinem einzigen Ausschussmitglied oder Abgeordneten in Frage gestellt werden, auch über den 31. März 2021 hinaus entfristet werden und dauerhaft Anwendung finden können.
Gute Erfahrungen wurden in einzelnen Ausschüssen zudem mit der Hinzuziehung von Referenten, Sachkundigen und Bürger:innen per Videoübertragung oder sogar Telefon gemacht. In Einzelfällen kam es aufgrund der verbesserungswürdigen Soft- und Hardwareausstattung der Stadt hier aber zu technisch bedingten Ausfällen. Diese Möglichkeiten sollten Ausschüssen auch in Zukunft sowohl rechtlich, als auch durch adäquate Hard- und Softwareausstattung an den Sitzungsorten zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang sollte geprüft werden, in welchem Umfang auch in Zukunft die digitale Teilnahme von verhinderten Ausschussmitglieder – und sei es auch ohne Wahrnehmung des Stimmrechtes – an den Sitzungen möglich gemacht wird. Dies wäre u.a. ein Beitrag zu einer familienfreundlichen Bezirksversammlung. Die Durchführung von Hybridsitzungen wird durch die bezirklichen Rechtsämter auf Basis der Regelungen des § 13 Abs. 3 BezVG bisher kritisch gesehen.